Und nicht einfach zu finden.
Zuerst müssen wir uns in eine sehr enge Kurve einfädeln. Und das auch noch direkt vor einer Kirche, in der gerade Aschermittwoch-Gottesdienst gefeiert wird. Dann noch eine schlammige Strasse hinunter. Es ist mitten in der Nacht, als wir endlich am Stellplatz ankommen.
«Ich hab sie gesehen», sagt Michi. Zwei Bären schlafen auf der anderen Seite des Tales, nur zu sehen durch das Wärmebildgerät. Die Vorfreude steigt. Am Morgen stehen wir sehr früh auf, gleich bei Sonnenaufgang, und setzen uns auf den Beobachtungsturm. Michi steht mit Kamera und Wärmebildgerät bereit, ich mache Kaffee.
Auf der anderen Seite des Tals sind viele Andenbären. Im Laufe des Vormittags beobachten wir fünf Exemplare. Den ersten sehen wir noch beim Schlafen, den zweiten schon bei der Futtersuche.
In Südamerika gibt es nur eine Bärenart: den Brillenbären. Sehr bekannt eigentlich, denn die Zeichentrickfigur des Bären Paddington wurde genau nach seinem Vorbild gemacht.
Ein Bär der Anden

Doch viele wissen gar nicht, dass es im Süden des Kontinents Bären gibt. Der Andenbär oder Brillenbär (Tremarctos ornatus) ist der einzige Bär Südamerikas und der letzte überlebende Vertreter der Kurzschnauzenbären. Die Tiere sind fast über die gesamte Andenkette verbreitet: Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien.
Wie alle Bären sind sie Allesfresser, bevorzugen aber Pflanzen wie Kakteen oder Avocados. Eher selten erbeuten sie Nagetiere oder grosse Säugetiere wie Hirsche oder Rinder. Kakteen und Bromelien sind wichtig, da diese Pflanzen Wasser speichern, das die Bären dann aufnehmen. Ansonsten klettern sie gerne auf Bäume und brechen Äste mit Früchten ab, um sie am Boden zu fressen.
Natur und Landwirtschaft können harmonieren
Die Avocados ziehen die Bären hier im Norden Ecuadors magisch an. Der Avocadoanbau grenzt an einen Nationalpark, und da die Früchte das ganze Jahr über wachsen, sind auch die Bären das ganze Jahr über in grosser Zahl anzutreffen. Einer der Bauern hat daraus ein kleines Geschäft gemacht. Sie haben sich also mit den Bären, dem Tourismus und dem Anbau arrangiert. Eigentlich ein schönes Beispiel, wie Natur und Landwirtschaft harmonieren könnten.
Leider ist das nicht immer so. Da Bären zwar selten, aber doch hin und wieder Rinder reissen und Maisfelder verwüsten, rächen sich die Bauern. Dazu werden sie auch gewildert, wegen ihres Fleisches und Fells oder für medizinische oder rituelle Zwecke. Auch Jungtiere werden gewildert und als Haustiere verkauft. Der WWF schätzt, dass jährlich 200 Exemplare gejagt werden. Die Tiere sind gefährdet, der Bestand wird vom WWF auf 13.000 bis 18.000 geschätzt. Da der Verlust des Lebensraumes rasant voranschreitet, geht man davon aus, dass sie in freier Wildbahn aussterben werden.
Ein Bär für alle Lebenslagen
Wir haben auf dem Weg nach Norden immer wieder Ausschau gehalten, hatten aber kein Glück. Denn es ist gar nicht so einfach, den scheuen Bären zu beobachten. Zum einen ist er früh morgens und kurz vor der Dämmerung unterwegs, einzelgängerisch und eigentlich ganz gut getarnt. Man sieht sie kaum aus der Ferne. Sie haben ein komplett schwarzes Fell und eine weisse Zeichnung um die Augen, die wie eine Brille aussieht, daher der Name. Da waren wir sehr froh, hatten wir das Wärmebildgerät dabei, so konnten wir sie etwas einfacher finden im Wald.

Die Tiere sind anpassungsfähig, solange sie in der Höhe leben können. Dort leben sie sowohl in vegetationsarmen Ebenen als auch in Wald- und Sumpfgebieten, im Hochgebirge oder in küstennahen Wüstengebieten. Am häufigsten sind sie jedoch in den feuchten Nebelwäldern des Hochlandes anzutreffen. Die Frassspuren haben wir oft gesehen, es gibt auch andere Gebiete, die für Sichtungen bekannt sind. Nur waren wir zur falschen Jahreszeit da, sie kommen erst, wenn die wilde Avocado Früchte trägt.
Ein Bär, der keinen Winterschlaf mag
Generell sind die Bären saisonal aktiv und halten im Gegensatz zu ihren Artgenossen keinen Winterschlaf. Die Jahreszeiten variieren hier auch nicht so stark, es gibt nur Trocken- und Regenzeiten. Eine weitere Besonderheit dieser Art ist die Keimruhe der Weibchen. Die Weibchen sind das ganze Jahr über befruchtungsfähig, sie können dann die Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter steuern und die Tragzeit verlängern. So kann der Zeitpunkt der Geburt an die Jahreszeit angepasst werden, meist kurz bevor die Früchte reifen.
Am Abend regnete es stark, aber wir sahen doch noch einen Bären. Er überquerte die einzige Brücke im Tal. Das war es dann auch, wir verabschiedeten uns von dem beeindruckenden Tieren und machten uns spät auf den Heimweg. Das nächste Abenteuer wartete schon auf uns.Jahreszeit da, sie kommen erst, wenn die wilde Avocado Früchte trägt.